Messieberatung Burgenlandkreis
Petra Hahn
Messieberatung
petra.hahn@gmx.net


Was ist ein Messie?

Die Aussagen, die ich über Messies treffe, sind nie allgemeingültig und treffen nie auf alle betroffenen Personen zu. So wie jeder Mensch ganz verschiedene Facetten, Eigenschaften und einen eigenen Charakter hat, so sind Messies in ihrem Verhalten, ihrer Problematik und ihrer Weise Probleme zu lösen, verschieden. Es gibt ähnliche Schwierigkeitsgebiete z. B. in Bezug auf Ordnung und Menge von Gegenständen. Die Tendenz ist ein zu Viel, den Überblick verlieren, keinen eigenen Raum in der eigenen Wohnung haben und vor allem leiden an der Unfähigkeit eine unaushaltbare Situation zu verändern.

Es gibt Messies, die immer zu spät kommen und pünktliche. Es gibt desorganisierte und gut organisierte Messies. Es gibt Messies, die ausschließlich in ihrer Wohnung oder nur in ihrem Zimmer Chaos haben, nicht auf ihrer Arbeit. Es gibt Messies, die nur phasenweise, wenn es ihnen schlecht geht, Chaos haben. Es gibt sog. horders, d.h. Personen ohne Chaos, die leidenschaftlich sammeln.

Es gibt so unterschiedliche Arten von Messies, wie es Menschen gibt und jede*r hat es verdient, nicht in einen Vorurteilstopf geschmissen zu werden, sondern dass man seine*ihre individuelle Lebenssituation betrachtet. Und ein Recht auf respektvollen Umgang.



Messiesyndrom, was ist das?

Ein Syndrom ist eine Anhäufung mehrerer Symptome, also Krankheitszeichen. Bei Messies geht man aus, von einem Zusammenwirken von

> Zwängen

Messies leiden häufig an Kauf- und Sammel- aber auch an Perfektionszwängen.

Der Zwang besteht aus vielfältigen Möglichkeiten. Der Kaufzwang ist eine davon. Auch sind Messies häufig Perfektionist*innen. Wenn sie etwas aufräumen, muss es oft genau und richtig geschehen.

Z.B. Ist die ganze Wohnug chaotisch und der Gasableser wird mit Schrecken erwartet. Dann benötigt die Messie Plastikkisten zum Stapeln. Diese werden ausgewaschen und gründlich abgetrocknet und nicht einfach neu benutzt.

oder

Die Wohnung ist chaotisch und der Werkzeugschrank wird sortiert und mit extra dafür besorgten farblich aufeinander abgestimmten Klebezettelchen per PC beschriftet. Ein Vorgehen, wie "alle Schraubenzieher kommen in eine Schublade und fertig" würde dem Ordnungsgefühl nicht genügen. Das ganze Vorhaben scheitert dann, wenn z.B. der PC nicht zugänglich ist, so dass die Klebezettelchen per Hand beschriftet werden müssten.

Dieses akribische Sortieren ist bei manchen Messies so zwanghaft, dass sie es durch Bewußtmachung willentlich alleine nicht ändern können.

Hier kann der Austausch mit anderen Messies oder eine professionelle Begleitung durch diese emotionale Not sehr hilfreich sein.

> Sucht

Eine Sucht ist ein starkes Verlangen nach einem (Gefühls)-Zustand, der entweder durch Stoffe (Alkohol/ Nikotin, etc.) oder durch Handlungen (Kaufsucht / Spielsucht) herbeigeführt wird.

Die Sucht bei Messies macht sich bemerkbar durch eine Art Rauschzustand während des Kaufens, Sammelns und Aneignens.

Gekennzeichnet ist sie durch fehlende mentale Präsenz in der Gegenwart und völliges Verschmolzensein mit dem glücklichen bis hin zu manischen Gefühlszustand, während diesen Momenten, die u. U. nur Minuten dauern. In der Zeit des Rauschzustandes entstand eine emotionale Verkopplung zwischen der Sache und der eigenen Befindlichkeit.

Bereits beim Verlassen des Geschäftes kann es sein, dass der Gegenstand (und dessen weitere Behandlung, wie einen Platz dafür finden oder reinigen) keine Beachtung mehr findet. Es gibt einfach zu viele Dinge in der Wohnung, als dass einem neuen Teil der Sammlung lange Aufmerksamkeit gegeben werden könnte. Der Rauschzustand ist vorbei.

Die Gegenstände haben meist die Funktion

> für einen "Notfall" gerüstet zu sein (Lebensmittel)

> sich Wissen (Bücher oder Zeitungen) zur Verfügung zu stellen

> sich mit Schönheit (bei Dekorationen) zu umgeben

> Erinnerung an die Vergangenheit (alte Fotos, Kleidung, Erinnerungsstücke)

> für zukünftige Vorhaben an Kreativität oder Reparatur zur Verfügung zu stehen.

Aufgrund der Masse, werden die meisten dieser Dinge nicht mehr gefunden, geschweige denn dazu benutzt, wofür sie ursprünglich gekauft wurden.

Nun geschieht ein Paradoxon. Die Masse an Gegenständen ist erdrückend, nimmt die Luft zum Atmen, macht jede Wohn- und Lebensqualität zunichte. Beim Versuch des Wegwerfens tritt der einzelne Gegenstand wieder in den Focus der Aufmerksamkeit. Und schon wird wieder die emotionale Verkopplung aktiviert, die das Wegwerfen so erschwert oder gar unmöglich macht.

Messies sagen dann Sätze wie: "Das kann ich dem schönen Geschirr, dem guten Werkzeug, der teuren Kleidung nicht antun."

Die Gegenstände erhalten eine Stellvertreter*innenfunktion für ein Sichversorgen, liebevoll, rücksichtsvoll mit sich umgehen. Dies macht es schier unmöglich, die Gegenstände wegzuwerfen, obwohl sie wegen der Masse das Leben unerträglich machen.

Zudem sind oft auch Depressive Anteile bemerkbar.

Diese machen sich durch gedrückte Stimmung, Selbstvorwürfe, Selbstbeschimpfungen und Verzagen bemerkbar.

Messies setzen sich selbst meist so unter Druck, dass sie, wenn die Ergebnisse des Aufräumens kaum bemerkbar sind, völlig verzweifeln und aus dem Kreislauf von Vorwürfen und Scheitern an den eigenen Ansprüchen nicht mehr alleine heraus finden.



Welche möglichen Ursachen für das nicht Wegwerfen - Können gibt es?

Wie oben benannt, sind Messies ganz verschieden, so verschieden wie ihre Lebensgesschichten sind die Ursachen. Vermutet werden unverarbeitete traumatische Erlebnisse in frühester, z. T. präverbaler Kindheit, also zu einer Zeit, in der Kinder noch nicht reden können. Sandra Felton nannte Messies, Menschen, die die "Löcher" ihrer Seele mit Dingen stopfen. Da es sich aber ursprünglich um eine seelische Unterversorgung in der Kindheit handelt, können die Gegenstände, wie viele es auch seien, diese Aufgabe nicht erfüllen. Die Verantwortungsübernahme für das eigene seelische Wohlbefinden im Hier und Jetzt ist Ziel der Gestalttherapie.



Ein Beispiel - bitte nicht verallgemeinern!!!

Die alte Tasse

Ein alter Mann wurde regelmäßig vom Sozialdienst besucht. Seine Wohnung war völlig zugestellt mit alten Möbeln, Büchern, Geschirr, Zeitschriften und Utensilien des täglichen Gebrauchs. Die Vorhänge der Wohnung verschlossen. Der Sozialdienst arbeitete mit dem Mann an einer relativen Ordung in der Wohnung, so dass es nicht gesundheitsbedenklich werden würde. Der Mann trank jeden Tag aus der selben Tasse. Sie war alt und weiß, zumindest war sie einmal weiß gewesen, mit einem Blumenmuster. Der Henkel war abgebrochen. Da der Mann alles aus dieser Tasse trank und sie nur hin und wieder ausspülte, war sie schmutzig und vergilbt. Der Sozialdienst redete vernünftig mit ihm. Er schaute sich die alte Tasse an, schämte sich und gab sein Einverständnis, dieses alte eklige Ding zu entsorgen. Ihm wurde eine saubere Tasse gegeben.

Nach 2 Wochen kam der Sozialdienst wieder zu einem Hausbesuch vorbei. Der alte Mann zeigte stolz seine neuste Errungenschaft: ein 20 teiliges Geschirrservice, ganz billig bei einem Discounter erstanden. 4 flache Teller, 4 Suppenteller, 4 Kuchenteller, 4 Tassen, 4 Untertassen. Sie alle waren weiß, neu, sauber mit einem zarten Blumenmuster, ähnlich wie das auf der alten Tasse.


Was war geschehen?

Dazu benötigt man einen besonderen Einblick in seine Lebensgeschichte:

Der Mann war ein Nachkriegskind. Er wuchs in einem völlig lieblosen, gefühlskalten Elternhaus, in dem beide Elternteile hart arbeiteten und keine Zeit hatten, auf. Er war als Kind völlig auf sich allein gestellt. Freude oder Traurigkeit durfte er nicht spüren. Er musste funktionieren und tat dies auch. Mit acht Jahren erkrankte er schwer und musste gepflegt werden. Da die Eltern keine Zeit hatten, kam er zu seiner Großmutter. Sie umsorgte ihn liebevoll. Sie verwöhnte ihn. Sie interessierte sich dafür, wie es ihm ging. Sie las ihm vor und pflegte ihn gesund. Nach seiner Genesung zog er wieder zu seinen Eltern mit dem Alltag des alten Lebens.

Als seine Großmutter Jahre später starb, übernahm er viele ihrer Möbel und sonstige Haushaltsgegenstände. Er fand die Tasse, aus der er als Kind Milch mit Honig von der Großmutter erhalten hatte. Jeden Abend zum Einschlafen hatte sie ihm vorgelesen und während den Geschichten hatte er seine Milch aus dieser Tasse getrunken. (Dies war zumindest in seiner Erinnerung so.)

Nun, mehr als 50 Jahre später, in einer Gesellschaft, die er nicht versteht, die er als gefühlskalt definiert, trinkt er jedes Getränk aus seiner Tasse. Er trinkt damit all die Liebe, die Fürsorge und Wärme der Großmutter. Mit jedem Schluck geht es ihm gut, da diese Gefühle quasi durch diese Tasse als Medium in ihm wieder wach gerufen werden. Diese Tasse wurde entsorgt und damit alle mit ihr verbundenen Gefühle. Der Mann benötigte zu seinem innerpsychischen Gleichgewicht einen adäquaten Ersatz. Da es ein minderer Ersatz war, bestand er aus 20 Teilen, mit denen er nun versucht, die alte Fürsorge wieder zu beleben.



©Petra Hahn